Mittwoch, 26. Januar 2022

Schäden der Tragflächentanks bei Pipistrel

 Welchen Kraftstoff kann ich tanken???                         

                      ... oder die Verwirrung in der Dokumentation???

Es ist ein leidiges Thema in der Fliegerei, welchen Kraftstoff man in seiner Maschine nutzen darf.
In der E-Klasse ist dieses Thema recht stringent, gibt es Motoren, die haben z.B. eine MOGAS-Zulassung und annähernd baugleiche Muster eben nicht.
 
Bei der Freigabe von Kraftstoffen ist genau darauf zu achten, ob diese vom Motoren- und/oder auch vom Flugzeug-Hersteller kommt, beide hierfür die Zustimmung gegeben haben.
Rotax hat schon sehr früh seine Motoren für Kraftstoffe bis 10% Ethanol freigegeben. Diese Freigabe muss aber auch vom Zellen-Hersteller kommen. 
Oft gibt es Probleme mit den Integral-Tanks in den Tragflächen.
Der Kraftstoff in den Tragflächen, oder eher das gasförmige Gemisch, greift die Verbundwerkfstoffe an. Daraus können sich nicht unerhebliche Strukturprobleme ergeben.
 
Erst kürzlich hat dazu Der DULV eine LTA erlassen, mit der Kernaussage, dem ohnehin verpfilchtenden Service-Bulletin des Herstellers unbedingt zu folgen. 
Der DULV stellt hier ausserdem Struktur-Schäden in den Raum, die im SB von Pipistrel aber nicht erwähnt wurden, ganz im Gegenteil, dass nicht jeder "Schaden" einer Reparatur bedarf --> "if deemed necessary".
 

 
Das Problem ist nicht neu. 
Bereits 2009 hatte ich genau diese Schäden an den Tragflächen meines Pipistrel-Sinus. 
Ganz offensichtlich war der Ethanol-Gehalt des regulären Super-Kraftstoffs(ROZ95) dafür verantwortlich. Ich hatte nach Reparatur und der Umstellung auf Super+ (ROZ98) weder bei dieser noch anderen Maschinen je wieder dieses Problem.
 

Damals gab es noch kein E10, es war also höchstens 5% Ethanol zugesetzt.
Trotzdem gab es die gleichen Dellen und Delaminierungen auf der Tragflächen Oberseite. 
Das SB sieht nun vor, die Tragflächen vor jedem Start auf solche Beschädigungen zu inspizieren.
Was nicht geklärt wurde, was nach der Feststellung des Schadens zu geschehen hat, außer diesen zu melden.
Wir stellen uns einen ausgedehnten Wochenendausflug vor, wo beim Support von Pipistrel keiner mehr erreichbar ist. Auch unter der Woche wird eine abschließende Beurteilung anhand von Bildern bestimmt nicht im Handumdrehen geschehen.
 
Fragen die man sich stellt:
- Wie lange ist der Schaden schon?
- Welche Beschädigungen sind unter dem Lack?
- Kann ich damit fliegen?
 
Fairer Weise sollte erwähnt werden, dass es ein sehr langsamer Prozess ist, wo dem aufmerksamen Halter/Piloten diese Schäden auffallen sollten - wenn er denn regelmäßig danach schaut.
 
Letzte wichtige Frage:
Wer zahlt das Ganze???
 
Damals  war Pipistrel sehr kulant, hat die Tragflächen abgeholt und wieder instandgesetzt.
Wie das Heute gehandhabt wird, kann ich nicht sagen.
 
Der DULV hat sich in seiner LTA zu Aussagen hinreissen lassen, von "übrig gebliebenem Winterkraftstoff..." zu sprechen. Woher stammen diese Informationen und wieso sind diese nicht dem SB zu entnehmen??? Haben diese Informationen unter Rücksprache mit dem Musterbetreuer und/oder Pipistrel stattgefunden, oder nur mutgemaßt?
In einer LTA mit dem Konjunktiv zu arbeiten und Fakten anzunehmen, diese einfach so im Raum stehen zu lassen, halte ich ohnehin für unangebracht.  
Ob sich zugesetzten Additive (welche auch immer das sind) für den Winterbetrieb in Folge hoher Tanktemperaturen verflüchtigt haben, und hier die Struktur angreifen, hört sich zwar vielleicht erstmal schlüssig an.
Trotzdem muss man sich die Frage stellen, ob es so ungewöhnlich ist, dass sich mal Winterkraftstoff noch im Frühjahr/Sommer in den Tragflächen befindet.
Nicht nur Corona führt zu Standzeiten. 
Sowieso sollte nicht für alles und jedes der „Corona-Schlüssel“ gewählt werden.
Aus eigener Beobachtung konnte ich feststellen, dass derartige Beschädigungen einem langfristigen Prozess folgen. Flugzeuge befinden sich eigentlich immer im geschützen Hangar, wenn diese nicht genutzt werden.
Hier sollten aufgrund fehlender Sonneneinstrahlung keine übermäßig hohen Temperaturen in der Tragfläche entstehen lassen.
Ist die Maschine ausgeräumt und ist direkter Sonnenstrahlung ausgesetzt, wird diese normalerweise auch genutzt, Sprit wird verbraucht und auch wieder nachgetankt.

Auch die betroffenen Maschinen sollte man hier mal unter den Fokus stellen:
Es handelt sich um extravagante Geräte mit Tragflächen-Tanks der Typen Sinus, VirusSW, Taurus und Apis Bee.
Diese Geräte sind nicht unbedingt diese, die in Vereinen großer Beliebtheit erfahren - werden also eher von privaten Haltern, Individaualisten, betrieben.
Für diese war rein flugtechnisch Corona egal, haben die privaten Flüge, vorallem einsitzig, keinerlei Einschränkungen erhalten.
Ganz im Gegenteil könnte ich mir vorstellen, wenn Freizeitaktivitäten in Gesellschaft untersagt werden, dass dann eher Individual-Tätigkeiten, wie eben eine Runde mit seinem Flieger zu drehen, betrieben werden.

Schaue ich außerdem in mein Flugbuch, war die Fliegerei bereits wieder im vollen Gange, bevor die Temperaturen ein als „warm“ zu bezeichnendes Niveau erreicht haben.
Das wäre nur meine Annahme, die mich die Story von dem aufgewärmten, vergessenem Winterkraftstoff im Integraltank nicht so recht glauben lassen.
Und wohlgemerkt sprechen wir hier nicht von Einzelfällen, sondern von mehreren Vorfällen - was spätestens ab diesem Punkt unglaubwürdig wirkt.

Auch Pipistrel macht es sich einfach und führt die Schäden kurzum auf Sprit mit mangelhafter "Qualität" zurück.
Jetzt müssen wir uns alle die Frage stellen, was diese "Qualität" ausmacht. Keiner von uns wird seinen Sprit aus Latein-Amerika beziehen .. wir alle tanken, wenn überhaupt mal aus Kanistern, Sprit von einer üblichen Tankstelle. Der Großteil von uns wird dann wohl MOGAS von der Flugplatz-Tankstelle verfüttern.
 
Ich denke auch, dass keiner von uns E10 in seine Maschine kippen wird. Auch nicht unbedingt reguläres Super(ROZ95), sondern Super+(ROZ98), was Mogas mit so wenig Ethanol als möglich gleich kommt.

Will man den Ethanol-Gehalt im Sprit rudimentär bestimmen, gibt es den "Flaschentrick":

100ml Wasser ... Pegel markieren ... 900ml Sprit drauf .. gut schütteln und schauen, ob der Pegel ansteigt. Tut er es, dann ist dem Sprit einiges an Ethanol zugesetzt.
Dieses Verfahren ist wie gesagt, nur sehr einfach.
 
Auf jeden Fall sollte man zusehen, dass man Sprit mit möglichst wenig Ethanol tankt. Das Problem mit dem Ethanol, wird nicht nur Pipistrel haben, ziehe ich lediglich dieses Beispiel aus der Erfahrung der letzten 16 Jahre mit diesen Flugzeugen heran.
 
Auch die Motor-Perepherie nahm schaden. So zeigte der Durchflußsensor immer weniger an. Das Rädchen quoll auf und drehte langsamer - auch Folge des Ethanols.
 
Wie geht man nun mit diesem Thema sinnvoll um?
 
Ob es wieder das "böse" Ethanol war, kann noch nicht gesagt werden.
Trotzdem sollte man sich dem Thema "Kraftstoff" ruhig ein paar Minuten widmen, und einen Blick in die Handbücher werfen:

Hier schrieb Pipistrel noch im Jahr 2010, dass nur Avgas Beschränkungen im Betrieb mit Rotax Motoren unterliegt - kein Wort von Ethanol.
Von der Nutzung von AVGAS wurde sogar abgeraten... von einer Verkürzung der Laufzeit des Motors war die Rede.
Die Diskussion rund um den Ethanol-Gehalt kam 2011 als erstes auf, als E10 in aller Munde war.
Trotzdem: mit 5% Ethanol-Anteil musste man schon immer rechnen. 

Der unbedarfte Nutzer wird dieses Handbuch als Grundlage für den Betrieb nehmen und seine Maschine besten Gewissens mit Super (5% Ethanol) betreiben.
 
In 2011 kam ein neues Handbuch für diese Maschine heraus, dass den Betrieb bis 600kg bestätigte. (Allerdings nur in Ländern, die das auch erlauben).


 
Auch hier war keine Einschränkung von Ethanol-haltigem Kraftstoff zu lesen.
 
Interessant ist aber nun das Handbuch der LSA-Version dieser Maschine, das im Okt 2010, also noch vor der letzten Neuauflage des 600kg-Handbuchs, veröffentlicht wurde:
Hier wird nun explizit die Verwendung von alkohol-haltigem Sprit verboten.
Dafür wird Avgas 100LL zugelassen, was zuvor nicht empfohlen wurde.
 
Für den unbedarften Nutzer dieser Maschine ist aber nach wie vor das Handbuch vom 02.04.2010  bindend. Keiner kann wissen, ob nicht das LSA andere Komponenten verbaut hat, was den Betrieb von Alkohol im Sprit verbietet - Stichwort FF-Sensor etc.
 
In 2016 wurde aus dem LSA dann eine reinrassige E-Klasse - der VirusSW121 war geboren.
Hier wurde der Betrieb von Ethanol-haltigem Sprit entsprechend Motoren-Hersteller Vorgaben erlaubt, nicht weiter eingeschränkt.
Von einer Laufzeit-Verkürzung des Rotax912 bei Betrieb von AVGAS wird hier auch nichts mehr gesagt.
 
Da hier das Kapitel 2 "Limitations" des POH abgebildet wird, ist diese Einschränkung auf den gesamten Flieger anzuwenden - also auch die Perepherie vor dem Motor.
 
In 2017 kam dann für das UL ein neues Handbuch raus.
 
 
Eigentlich dachte man nun, dass die Probleme mit dem Ethanol gelöst sind.
Das Gegenteil war der Fall!
Wir stellen uns den unbedarften Käufer eines VirusSW in 2010 vor, der nun entsprechend der für ihn gültigen Dokumentation bedenkenlos die ganzen Jahre Super-Sprit mit 5% Etahnol tankt.
Er tankt 7 Jahre lang Sprit, den er dann in 2017 verboten bekommt.
Vielmehr noch, die Beschränkung mit dem Avgas bleibt bestehen. 
Was soll der Pilot nun tanken?
Mit Avgas schadet er seinem Motor und Kraftstoff ohne Ethanol ist nicht zu bekommen.
 
Erst 2015 hat Pipistrel die Verwendung von Ethanol-haltigen Sprit bis 10% erlaubt.
Er hätte also sogar auch diesen neuen Billig-Sprit tanken dürfen, der mehr Ethanol enthält, als das was dem ursprünglichem Handbuch zugrunde gelegen hat.
Wohl gemerkt: Diese SI-100-004 ist auch die Richtige für alle ULs dieses Herstellers, also neben Virus auch Sinus, Taurus, die es nur als UL gibt und auch Tragflächen-Tanks haben.
 
 

 
In 2021 erfolgte dann wieder die Rolle Rückwärts:


Jetzt wird wieder Sprit mit 10% Ethanol für genau dieses Muster aus 2010, ohne etwaige Modifikationen, in der original Bauart, erlaubt.

Um die Verwirrung komplett zu machen, kam nun die LTA vom DULV heraus, die das SB von Pipistrel zitiert, die die unterschiedliche "Qualität" des Kraftstoffs, in den Fokus stellt.
Schnell scheint der Schuldige wieder gefunden - das Ethanol im Kraftstoff - mit dem Verweis auf Latein-Amerika.
Dies wird aber nicht im SB gesagt, ist hier nur von "Qualität" die Rede.

Was es nun schlußendlich ist, wird die Zukunft zeigen.
Die Verwirrung in der Dokumentation, vorallem was man als umsichtiger Halter dieser Maschinen nun veranlassen sollte, bleibt ein Ratespiel.


Wie es bei anderen Herstellern aussieht, kann man nicht sagen.
Pipistrel ist bekannt dafür, dass hier ein gutes Qualitäts-Management greift, Probleme behandelt werden, wie das SB zeigt.

Was bleibt, ist allerdings die Verwirrung in der Dokumentation.

Jedem möchte ich raten, bei solchen Diskrepanzen die schriftliche Zusage vom Hersteller einzuholen.
Allerdings sollte man bedenken, dass diese nur so lange gültig ist, so lange es kein SB oder anderes Handbuch gibt, dass den Betrieb von Ethanol einschränkt.
 
Hat der Flieger dann mal Schaden genommen, wird schwer zu klären sein, wie lange der Schaden schon vorhanden ist, welches Handbuch zu diesem Zeitpunkt maßgebend war.
Man ist gut beraten, regelmäßig die neusten Dokumenationen beim Hersteller abzurufen, um zu schauen, ob sich maßgebliche Dinge geändert haben.

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